Meinung

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Die Zukunft hat eine lange Vergangenheit

Dieser Spruch aus dem Talmud beschreibt sinnbildlich die Situation vieler Problemfelder in Deutschland, wie folgende Beispiele zeigen.

    • Der Einsturz der Carolabrücke in Dresden, der nur durch Zufall bzw. Glück zu keiner Tragödie führte, resultierte aus keiner Naturkatastrophe wie Hochwasser oder Erdbeben, sondern aus Versäumnissen, die jahrelang zurückliegen. Bereits 2013 wurde die Brücke als dringend sanierungsbedürftig eingestuft und schwere Mängel festgestellt. Das gleiche Urteil besteht für jede zehnte, der ca. 40.000 Brücken in Deutschland.
    • Die jahrelangen Versäumnisse beim Aufbau erneuerbarer Energien und die daraus resultierende Abhängigkeit von ausländischen Energie-Importen, die durch den russischen Angriffskrieg noch verschärft wurden und mit einem massiven Anstieg der Energiepreise verbunden waren.
    • Die mangelhafte Instandhaltung des Schienennetzes, die sich heute in Verspätungen und Zugausfällen zeigt.
    • Das Kaputt-Sparen des Gesundheitssystems, das sich heute in Pflegenotstand und Krankenhausschließungen äußert.
    • Eine Landwirtschaftspolitik, die sich seit Jahrzehnten an den Interessen der großen Agrarbetriebe orientiert und zu einem massiven Höfesterben insbesondere kleiner Betriebe führte.
    • Eine seit Jahren verfehlte Klimapolitik, deren negative Auswirkungen immer deutlicher zu Tage treten.

All diesen Problematiken ist gemein, dass ihre Ursachen Jahre bzw. Jahrzehnte zurückliegen, sich jedoch erst jetzt, in Zeiten multipler, globaler Krisen, manifestieren. Ohne Zweifel, es gibt viele berechtigte Kritikpunkte an der aktuellen Regierung: von einem äußerst schlecht kommunizierten Heizungs-gesetz, über den Wegfall der Förderung für E-Mobilität bis hin zu einem miserablen öffentlichen Erscheinungsbild im Dauerstreit. Aber für alle Probleme alleinig die aktuelle Regierung verantwortlich zu machen, ist nicht nur falsch, es lenkt auch ab von eigenen Unzulänglichkeiten, zumal einige der größten Schreihälse früher selbst in politischer Verantwortung standen.

Es liegt zudem nicht an der Ampel, dass eine einst blühende Solarindustrie mit 100.000en Arbeitsplätzen abgewickelt wurde oder dass die deutsche Autoindustrie entscheidende Entwicklungen verschlafen hat. Im Gegenteil: „B90/Die Grünen“ haben ausgesprochen, dass Änderungen notwendig sind und ein „Weiter-so“ die Bundesrepublik Deutschland nicht zukunftsfähig macht. Als Überbringer schlechter Nachrichten werden sie dafür als Sündenböcke abgestraft. Eine einseitige und überzogene Kritik in teilweise verletzender und verrohter sprachlicher Form mit einer Fokussierung auf „B 90/Die Grünen verkennt die wirkliche Gefahr von rechts.

Die anstehenden Aufgaben werden hohe finanzielle Mittel erfordern, die angesichts knapper Haushaltskassen nicht vorhanden sind. Es ist aus meiner Sicht nicht nur unverständlich, sondern unverantwortlich in einer solchen Situation die großen Vermögen nicht stärker zu besteuern, die Erbschafts-regelungen zu verändern oder den Subventionsdschungel zu überprüfen.

Genauso ist es an der Zeit, die Schuldenbremse, die heilige Kuh des Finanzministers, zu reformieren, Dies käme gerade kommenden Generationen zugute, denn: heutige Versäumnisse werden morgen exorbitant höheren Kosten verursachen.

Gez. Manfred Pappenberger

Text aus den Blätter für deutsche und internationale Politik Nr. 3/2024, S. 41